Produktive Stadt: Wiesbadener Dialog verknüpft Innenstadtentwicklung mit Handwerk und Klima

Produktive Stadt: Wiesbadener Dialog verknüpft Innenstadtentwicklung mit Handwerk und Klima
Produktive Stadt: Wiesbadener Dialog verknüpft Innenstadtentwicklung mit Handwerk und Klima | Bild: Wolfgang Pehlemann Wiesbaden / CC BY-SA 3.0 de

Wie könnte die Wiesbadener Innenstadt künftig aussehen, wenn Arbeiten, Wohnen und lokale Produktion wieder enger zusammenrücken? Diese Frage diskutierten Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürger am Dienstag, 2. Dezember, beim DesignDialog des sam im Haus der Architekten. Der Saal war voll. Moderiert wurde die Veranstaltung von Andrea Jürges vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Torsten Becker und Sabine Philipp.

Kernidee der produktiven Stadt

Im Mittelpunkt der Debatte stand das Konzept der produktiven Stadt, also das Leitbild einer urbanen Struktur, in der Wohnen und Arbeiten nicht strikt getrennt sind. Kleine Gewerbebetriebe, Handwerk und urbane Landwirtschaft sollen demnach wieder Platz in zentralen Lagen finden, um kürzere Wege, resilientere Quartiere und mehr soziale Durchmischung zu ermöglichen.

Francesca Ferguson von der Berliner Initiative Make_Shift gGmbH bezeichnete die produktive Stadt als Reaktion auf mehrere gleichzeitige Probleme. „Die produktive Stadt ist eine notwendige Antwort auf drei gleichzeitig auftretende Krisen: den Mangel an Fachkräften im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus den Innenstädten und die fehlende nachhaltige urbane Nahrungsmittelproduktion“, sagte sie. Ferguson plädierte dafür, Erdgeschosse und Innenhöfe gezielt für Kleingewerbe zu öffnen und Leerstände durch verhandelte Nutzungen und Pop up Leases zu aktivieren.

Stadtplanung, Handel und Klimaanpassung

Aus Sicht der kommunalen Planung ist das Thema relevant für die langfristige Gestaltung der Stadt. Constanze Paffrath von der Wiesbadener Stadtplanung verwies auf das Leitbild der europäischen Stadt als nachhaltige Form des Zusammenlebens und nannte die zentrale Aufgabe, Strategien zu entwickeln, die ein gerechtes und nachhaltiges Miteinander für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Der Architekt und Stadtforscher Philipp Krass erklärte, dass sich Innenstädte und Randbereiche grundlegend anpassen müssten. Er erwartet, dass die Innenstädte weniger konsumorientiert sein werden, zugleich aber Orte des Austauschs bleiben. Bildung, Kultur und verträgliche Produktion könnten künftig Flächen füllen, die der Handel verliert. Zugleich verlangten veränderte Arbeitsformen und der Klimawandel nach neuen Anforderungen an Wohnquartiere und einer grüneren Stadtentwicklung.

Rolle von Planung und Lokaler Vernetzung

Torsten Becker machte deutlich, dass die produktive Stadt eine veränderte Vorstellung davon voraussetzt, was Innenstadt leisten soll. Gute Planung sei wichtig, um die gebaute Umwelt qualitätsvoll zu gestalten, politische Ziele zu vermitteln und Akzeptanz zu schaffen. Innenstadtentwicklung sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die interdisziplinäre Netzwerke benötige.

Der DesignDialog des sam verstand sich als solche Vernetzungsplattform. Die Veranstaltung, die als gelabeltes Projekt der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain geführt wird, brachte Vertreterinnen und Vertreter aus Stadtplanung, Architektur, Forschung, Kultur und Zivilgesellschaft zusammen. Sabine Philipp erklärte, das Stadtmuseum wolle nicht nur die Vergangenheit darstellen, sondern Impulse für die Zukunft setzen und einen Vierten Raum schaffen, der Austausch und Projektentwicklung fördert.

Ausblick auf 2026

Philipp kündigte an, dass der DesignDialog auch 2026 stattfinden wird. Im ehemaligen Sportscheck Gebäude in der Langgasse 5 9 soll das Erdgeschoss von Mai bis Ende Oktober als Vierter Ort genutzt werden. Dort werden Projekte aus Wiesbaden und der Region im Rahmen der World Design Capital 2026 unter dem Motto ‚Looking forward: Das Morgen gemeinsam gestalten‘ präsentiert und zur Beteiligung der Bevölkerung eingeladen.

Die hohe Teilnehmerzahl am Abend zeigte laut Veranstaltern, dass das Thema weit über rein planerische Fragen hinausgeht und als sozialer und kultureller Auftrag verstanden wird. Für Wiesbaden bleiben konkrete Fragen offen, etwa wie mit Leerständen umgegangen wird, welche Rolle das Handwerk spielen soll und wie Klimaanpassung und nachhaltige Kulturangebote in die Innenstadtentwicklung einfließen können.

Quelle anzeigen

redaktion
Redaktion Taunussteiner Anzeiger 11 Artikel
Taunussteiner Anzeiger - Hier spricht die Region